Funde

 Terra Sigillata Schale

 Aus dem Brunnen stammt die Schale des Töpfers CINNAMUS, der in einem der wichtigen Produktionsorte im heutigen Lezoux bei Clermont-Ferrant am östlichen Rand des französischen Zentralmassivs arbeitete. (Abb. 12) Sie dürfte eine Opfergabe gewesen sein, da sie praktisch neuwertig in den Brunnen gelangte. Sie ist eine sog. reliefverzierte Terra Sigillata Schale, also ein Repräsentant des römischen Edelgeschirrs. Diese Art von Geschirr wurde nur an relativ wenigen Orten im römischen Reich hergestellt. Man benötigte eine spezielle Art von Ton, die zudem in besonderer, auch zeitraubender Weise verarbeitet wurde.
In sog. Formschüsseln, (Abb. 13) in der Funktion vergleichbar den heutigen Springerle- oder Spekulatius-Modeln, wurde der Ton auf einer Drehscheibe eingedrückt, dort leicht getrocknet, entnommen, mit glattem Rand und einem Fuß versehen, mit einer dünnen Tonschicht, sozusagen als Glasur, überzogen und gebrannt. Die glänzende Oberfläche ist also keine Glasur im heutigen Sinn, da sie im gleichen Brennvorgang wie das Gefäß selbst entstand.
 
Bekannte Töpfer versahen die Gefäße mit ihrem eingestempelten Namen, so auch Cinnamus, der etwa zwischen 150 und 180 n. Chr. produktiv war. (Abb. 14) So haben wir eine erste Datierungshilfe für unsere Villa Rustica.

Schreibtäfelchen

Ein weiterer spezieller Fund waren die Fragmente eines Schreibtäfelchens. (Abb. 15) Solche Täfelchen dienten dem täglichen Bedarf an Schreibgerät, denn Papier war ja noch nicht bekannt. Es gab zwar Papyrus und auch Pergament, aber beide waren viel zu teuer für den normalen Verbraucher.
 
Diese Täfelchen bestanden aus relativ dünnen Fichtenholzplatten, die innerhalb eines Rahmens leicht vertieft und dort mit Wachs ausgefüllt waren. Meist waren 2 solche Täfelchen, die etwa DIN A5 Größe hatten, mit Ösen versehen und durch Lederriemen zusammengebunden. Man schrieb mit Hilfe eines Metallstiftes, Stilus genannt, auf die geglättete Wachsfläche. Der Stilus war vorne spitz, hatte aber ein flaches Ende, mit dem „radiert“ werden konnte. Wurde das Geschriebene nicht mehr gebraucht, glättete man die ganze Wachsfläche; daher der Ausdruck „Tabula Rasa“.
 
Solche Täfelchen werden sehr selten gefunden, da sie als organisches Material ziemlich rasch vergehen. Nur in feuchter Umgebung haben sie eine Chance, erhalten zu bleiben. Vergleichsexemplare kennt man aus einem Moorgebiet in der nördlichen Schweiz. Dort wurden über 600 Stück geborgen. Nach unserer Kenntnis handelt es sich hier um das zweite, in Bayern gefundene Exemplar, und eben nur deswegen, weil es vor 1800 Jahren in den hiesigen Brunnen gelangte. Zudem ist es besonders groß!
Ausgestellt ist eine Rekonstruktion. (Abb. 16)

Schlüssel

Weitere bemerkenswerte Funde waren 2 Schlüssel (Abb. 17). Die damaligen Schlösser waren keine Drehschlösser wie heute, sondern hatten einen Schiebemechanismus; man mußte den Schlüssel in ein Schlüsselloch stecken und dann seitlich verschieben. Der Bart mußte natürlich, wie heute, passen.

Keramik

Wie immer bei solchen Ausgrabungen wurden große Mengen an Keramikscherben gefunden. Ebenso wie heute Porzellan oder Steingut war Keramik überall im Haushalt vertreten, selbst als Kochtöpfe. Auch als Verpackungsmaterial für den Transport flüssiger Ware oder von Schüttgut, wie Getreide, Früchten, Mehl o. ä., wurden Keramikgefäße genutzt. Zudem vergeht Keramik nicht, wenn sie in den Boden kommt. Deshalb stellen solche Scherben den Löwenanteil an Fundmaterial bei jeder Grabung.

Tierknochen

Ebenso tauchen immer wieder Tierknochen auf, die auf Ernährung und Lebensweise der Villa schließen lassen. Rind, Schwein, Schaf, Ziege sind immer zu finden, wobei das Schwein der Hauptfleischlieferant war. Rinder wurden zur Milchproduktion und vor allem als Zugtiere gehalten. Man sollte sich in Erinnerung rufen, daß das Pferdekummet erst im frühen Mittelalter erfunden wurde, das Pferd also zur Römerzeit in erster Linie Reit- und nicht Zugtier war.

Holzfunde

Von Bedeutung, jedoch nicht ausgestellt, sind die Holzfunde aus dem Brunnen. Sie erlauben eine dendrochronologische Datierung, d. h. man kann aufgrund der Struktur der Jahresringe feststellen, wann ein gefundenes Stück Holz geschlagen wurde. Voraussetzung ist eine hinreichende Größe und ein entsprechender Querschnitt des Stammes.
 
Hier wurden sog. Brunnenhölzer aus der Schachtwand geborgen. (Abb. 18) Sie sind aus Eiche und wurden eindeutig im Jahr 133 n. Chr. geschlagen. Wir sind also ziemlich sicher, daß die Villa Rustica in diesem oder dem folgenden Jahr gebaut wurde, denn die Wasserversorgung gehörte sicher zu den ersten Infrastrukturmaßnahmen. Innerhalb des Schachtes fand man außerdem Buchenhölzer, die um 147 n. Chr. gefällt worden sind.
 
Demnach wäre die Villa zur Zeit Kaiser Hadrians (117 – 138 n. Chr.) gebaut und möglicherweise während der Herrschaft von Antoninus Pius (138 – 161 n. Chr.) und auch Marc Aurel (161 – 180 n. Chr.) bewohnt gewesen.
 

Fortsetzung:

- Bewohner

- Schutzbau

Leutstetten
Abb. 12 Terra Sigillata Schale

Abb. 13 Formschüssel für eine Terra Sigillata Schale

Abb. 14 Stempel des Cinnamus (Spiegelschrift)

Abb. 15 Fragmente eines Schreibtäfelchens

Abb. 16 Rekonstruktion eines Schreibtäfelchens

Abb. 17 Zwei Schlüssel

Abb. 18 Brunnenschacht

 
Erstellt:03.11.2004     copyright  Gesellschaft für Archäologie und Geschichte - Oberes Würmtal e.V.